GEM - das «Grand Egyptian Museum» in Kairo

Im Juli 2025 soll es endlich so weit sein: Mit mehr als 10 Jahren Verspätung ist die Eröffnung des «Grand Egyptian Museum» angekündigt.

Pyramiden-Motive prägen die Fassade des GEM (© Alexandra Küffer)

Vielleicht ist es ja eine kulturelle Kontinuität: Ägypten, das alte genauso wie das neue, ist wahrlich nicht arm an Monumentalbauten von Weltruhm. Die Pyramiden von Gizeh – eines der sieben Weltwunder! Die Tempel von Karnak – Ikonen der Sakralarchitektur! Der Suez-Kanal – ein Denkmal moderner Ingenieurskunst! Der Nasser-Staudamm – Sinnbild für postkolonialen Paradigmenwechsel!

Und jetzt, in der 3. Dekade des 3. Jahrtausends n.Chr., kündigt sich – wieder und wieder – die Eröffnung eines weiteren Monumentes an – eines Monumentes für Monumente gewissermassen: Das Grosse Ägyptische Museum, das grösste einer einzigen Zivilisation gewidmete Museum weltweit mit einer Ausstellungsfläche so gross wie 70 Fussballfelder, errichtet in Sichtweite der Pyramiden von Gizeh!

Ebenfalls Kontinuitäten zeigen sich in seiner Baugeschichte: eine massive Kostenüberschreitung der ursprünglich geplanten 550 Millionen US$ auf über eine Milliarde und Verzögerungen bei der Fertigstellung um mehr als ein Jahrzehnt. Aber bei diesen Kontinuitäten handelt es sich um interkulturelle Gemeinsamkeiten, und sie mögen daher auch auf westliche Besucher durchaus völkerverbindend wirken. Ausserdem hat das lange Warten bis zur Eröffnung auch Gründe, für die die Bauleitung nichts kann: Politische Umwälzungen im Zuge des Arabischen Frühlings, Covid und wirtschaftliche Herausforderungen. Und die schrittweise Eröffnung, zu der man sich in der Not entschied, hat ja vielleicht auch ihr Gutes: Sie ermöglicht es dem Museum, Besucherströme zu analysieren und sich auf eine vollständige Eröffnung vorzubereiten. Diese ist nun von keinem Geringeren als Präsident Abdel Fatah al-Sisi für den 03. Juli 2025 angekündigt worden, und auch in Ägypten gilt: Vorfreude ist die schönste Freude.

In der Eingangshalle des GEM
In der Eingangshalle des GEM

Die erwähnte Lage des Museums mit Blick auf die Pyramiden ist sicher kein Zufall: Das wird schon an der Ausrichtung seiner Nord- und Südfassade auf die Pyramiden des Cheops und des Mykerinos deutlich. Die 800 m lange Frontfassade des Baus mit dem trapezförmigen Grundriss erinnert an Mauern pharaonischer Tempel, und die Gliederung der Fassade in Dreiecke sowie die ebenfalls dreieckig gestaltete Eingangsüberdachung sind gleichsam vervielfältigte Spiegelungen der Pyramiden. Auch sonst ist viel Symbolik verbaut worden – Zeugnisse des „Pharaonismus“, Ägyptens Antwort auf den europäischen Klassizismus: Im Hof vor dem Eingang steht ein Obelisk, um den herum alle Namen Ägyptens seit der Antike eingraviert sind. In der Eingangshalle schreitet Ramses II. auf den Besucher zu – richtig: derselbe Pharao, der bis 2006 noch das Chaos vor dem Hauptbahnhof Kairo überblickte. Für viele wirkt der Sohn der Sonnengottes in diesem Museum allerdings fehl am Platz. Denn die Sonne bescheint ihn hier nur noch durch den Filter eines Hallendaches, dessen riesige Abmessungen – manche fühlen sich an eine Flughafenhalle erinnert – der Statue ihre Monumentalität streitig machen. Überhaupt, so manche Besucher, lenkt die ihrer Meinung nach unruhige Gestaltung der Decke von den Objekten darunter ab.

Gestaltungselemente lenken teils etwas von den Exponaten ab (© Alexandra Küffer)

Diese sind im Anschluss an den Treppenaufgang aus dem Eingangsatrium in chronologischer und thematischer Gliederung nach „Religion“, „Königtum“ und „Gesellschaft“ ausgestellt. Und das Ausstellen ist gerade im Falle pharaonischer Altertümer eine Herausforderung für sich. Dies gilt schon für die schiere Zahl der Exponate. Das Grosse Ägyptische Museum war ja nicht zuletzt mit dem Ziel gebaut worden, endlich die über 150 000 Objekte angemessen präsentieren zu können, die im 1900 erbauten und in Ehren veralteten Ägyptischen Museum am Tahrir-Platz, ausgelegt für 5000 Stücke, nicht alle gezeigt werden konnten. So sind die pharaonischen Altertümer denn aus der Moderne des 19. Jahrhunderts in die Postmoderne des 21sten umgesiedelt worden. Und es scheint, als habe man alles, was auch immer in den Depots an Präsentierbarem lagerte, in die Vitrinen getan – als gehe es darum, eine Schausammlung anzulegen, ohne Rücksicht auf Verluste hinsichtlich Übersichtlichkeit und Fokussierung. Viele vermissen daher die „Schlüsselobjekte“, jene materiellen Hinterlassenschaften, die emblematisch für eine Kultur und eine Epoche stehen. Dabei sind die bisher geöffneten Galerien ja erst ein kleiner Ausschnitt des Gesamtmuseums. Und einige der berühmtesten altägyptischen Schätze werden erst nach der Gesamteröffnung zu sehen sein, so etwa die Sonnenbarke und sämtliche Beigaben aus dem Grab des Tutanchamun! Wieviel Zeit wird man in Zukunft brauchen, um zumindest eine repräsentative Auswahl an Objekten würdigen zu können? Immerhin aber fehlt es nicht an Platz: Die Galerien sind grosszügig ausgelegt, so dass nie Gedränge entsteht, und alle Objekte sind auch auf Englisch erläutert. Die filmischen Dokumentationen über pharaonische Kultur und Geschichte helfen ebenfalls beim Einordnen der Fundstücke. Eine grosse Bühne also für die Pharaonen – und eine grosse Bühne auch für das offizielle Geschichtsverständnis und Selbstbild des ägyptischen Nationalstaats, der im Grossen Ägyptischen Museum nicht nur das alte Ägypten, sondern auch sich selbst präsentiert und repräsentiert.

Eine grosse Auswahl an Exponaten erwarten den Besucher (© Alexandra Küffer)